Ashling
Paradiesische Zeugen-Jehovas-Zustände nordöstlich von Berlin. Lichtdurchflutete Wiesen, Bambi lässt sich hinter den Ohren kraulen, überall verführerische Makro-Motive. Wenn nur die ganzen Nazis nicht wären. Oder deren Spuren. Das findet auch die Dame mit dem Schlüssel. Und ich streite mich unablässig über Details aus der Pflanzen- und Vogelwelt (schon wieder). Großes Kräftemessen der Besserwisser.

Der Boxtrainer hatte seine CDs vergessen und musste sich - von wem eigentlich? - Musik ausleihen. Also Aufwärmen statt zu "Song 2" diesmal mit den Gipsy Kings. Wäre es, wie alle anderen Kurse, ein reiner Mädchenkurs gewesen, wär's wahrscheinlich gar nicht aufgefallen. Aber nein, beim Boxen eher so die härteren Girls und so rischige Männer. Schon lustig, wie an sich ernst gemeinte Musik ein an sich ernst gemeintes Boxaufwärmen sehr effektvoll unterwandern kann ...
Später zum Glück dann doch noch "The Eye of the Tiger".
Lang nicht mehr dortgewesen, und fast hätte ich es vergessen: Der Klingelton meiner Frauenarztpraxis ist die Melodie aus "M - eine Stadt sucht einen Mörder". Die, die Peter Lorre immer gepfiffen hat. Der Kindermörder.
Als ich damals mit der Angst, schwanger zu sein, zum ersten Mal im Wartezimmer gesessen hab, hielt ich das natürlich auch schon für zynisch - aber auch für ein gutes Omen. Hat ja dann auch geklappt.
Unbedingt merken: Sollte sich mein Kinderwunsch ändern, Frauenärztin wechseln!
Vögel können ja bekanntlich fliegen. Elegant in der Luft herumschweben - von allen bewundert und beneidet, toll! Selbst so unbeliebte Sorten wie Tauben bringen das zu Stande. Allerdings hat das sich unter denen wohl noch nicht so rumgesprochen.
Stattdessen zappelndes, watschelndes, überstürztes Davongewackel wenn mal was ist. Sieht nicht nur doof aus, ist auch noch wegen Langsamkeit und mangelnder Koordination saugefährlich. Ich hätte jedenfalls beinah eine Taube überfahren. Mit dem Fahrrad. Der Schwanz war unterm Reifen. Ich sah mich schon Federn, Blut und Taubenhirn (davon jedoch verschwindend wenig) aus meinen Speichen kratzen.
Und warum? Aus lauter Faulheit!
Andererseits: Nichts gegen Faulheit. Ich selber bin oft genug zu faul, um auch nur nachzusehen, was für ein T-Shirt ich gerade anhabe.
(Das mit dem Klorollenwechseln macht mir aber nichts aus. Ich hab lange drüber nachgedacht, sogar ein bisschen wachgelegen, hab - so unvoreingenommen wie möglich - Empirie betrieben. Nein, nichts. Ich schmeiß die leere Rolle weg und tu eine neue drauf. Macht fast Spaß. Was stimmt mit mir nicht?)
Ist es verhältnismäßig, sich beim Kicken mit ein paar Achtjährigen ("Spielen wir jetzt echt gegen Kinder?") so richtig ins Zeug legen zu müssen, nur damit der Torstand einigermaßen ausgeglichen ist? Ich fühle mich alt und unterlegen.
Einer von denen ist gerade hier vorbeigeradelt und sang immer und immer und immer: "Hallo, ich bin der Boss!"
Was für ein Wochenende. So viele Termine zum Im-Park-Abhängen. Vom einen zum anderen Termin quer durch die Stadt geradelt. Alle sind draußen. So viele Menschen hab ich seit New York nicht mehr auf der Straße gesehen. Nach meiner Wiederkehr im Dezember hatte ich ja ziemliche Entzugserscheinung. Ich fand Berlin so leer. Wenn's gar nicht mehr ging, die Warschauer Brücke auf und ab geschlendert. Zwischen der U- und der S-Bahn. Da ist ein bisschen Betrieb.
Aber gestern! Hey, ich lebe doch in einer Großstadt! Die Ufer gesäumt, die Parks mit Grillschwaden vernebelt. Frisbee, Baby. Und Jonglieren kommt wohl auch nie aus der Mode. Erstaunlich eigentlich. Sonnenmilch- und Fettgeruch aus dem Prinzenbad. Kann das sein: Da kommt ein Stück grün vom Rasen durch? Nee, ist nur ein Handtuch.
Ja, ein arbeitsames Wochenende. Und jetzt: Diplomarbeitstreffen. Wir drei mit unseren Laptops. Ich bin offensichtlich fleißig am Tippen. Wieviel Selbstbetrug ist eigentlich okay?
MS Nostalgie brettert den Landwehrkanal runter, direkt auf einen Schwarm Schwäne zu.
(Hm, klingt ja ganz gut - Schwarm Schwäne - aber ist das überhaupt korrekt? Treten Schwäne vielleicht eher in Rudeln auf oder in Schulen?)
Die Schwäne flattern hektisch auf, flüchten einige Meter, bis sie in sicherem Abstand von der Nostalgie sind. Sieht super aus, als würden sie das Boot ziehen. Kaum haben sie sich beruhigt, naht jedoch von hinten - MS Nostalgie. Hektisch flattern die Schwäne auf, fliegen ein paar Meter und wassern in sicherem Abstand. Drei mal passiert's bevor der Fluss einen Knick macht und ich nichts mehr mitbekomme. Wie lange das wohl schon so ging? Sah ja wirklich sehr beeindruckend aus. Abgeklärte Berliner bleiben am Wasser stehen und starren mit offenen Mündern Schwäne an. Für die Schläue der Schwäne spricht es aber nicht so.
Vielleicht - sollten sie Schulen bilden - war's ja auch eine Klippschule (höhö! - tschuldigung).
Nein, nicht meine. Bildungsbörse in Spandau. So viele Jugendliche. Ich bin überrascht, wie wenig Neues es von der Fashion-Victim-Front zu berichten gibt. Wie gehabt: Hüfthosen, kurze Tops und viel Babyspeck dazwischen.
Auch überrascht bin ich über die inbrünstige Ernsthaftigkeit, mit der von den jungen Besuchern an einem Zimmermanns-Stand riesige Nägel in einen Baumstamm gehämmert werden. Schief und krumm natürlich, aber mit Hingabe. Hier ist neben dem Kondomstand ("ich komme lieber mit") mit Abstand am meisten los.
Die kleinen Gangster, die mir im März meine Kreditkarte geklaut haben und sich auf Kosten der Versicherung zwanzig schöne, teure Shoppingminuten in den Spandauer Arcaden verschafft haben, machen mir ein verspätetes Geschenk. Wenn ich mal meinen webmiles-Kontoauszug zitieren darf:
17.01.2005: 22 webmiles (das war wohl ich)
16.03.2005: 1842 webmiles (oh yeah!)
Elektrischer Milchaufschäumer, ich komme!